Dienstag, 29. Oktober 2013


Rassismus 

Enver Şimşeks Geschichte macht eines deutlich: Rassismus in Deutschland ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern Realität. Trotzdem wird heute nur selten offen von Rassismus gesprochen. Stattdessen ist häufig von Fremdenfeindlichkeit die Rede. Das liegt vor allem daran, dass der Begriff Rassismus in Deutschland eng mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten verknüpft ist.
Die Nazis glaubten, die Menschheit lasse sich in verschiedene Rassen einteilen. Sie unterschieden zwei miteinander unvereinbare Rassen: die Arier und die Juden. Die Arier waren für die Nazis vollkommen. Sie hielten sie für den Juden körperlich und geistig überlegen und daher zum Herrschen über diese bestimmt. Die Arier hatten ihrer Ansicht nach auch das Recht, die Juden zu vernichten. Sie meinten, nur so könne die Qualität der Arier erhalten bleiben und sich die Menschheit höher entwickeln.
Der Rassismus, der sich in Deutschland heute beobachten lässt, hat mit der Rassenlehre der Nationalsozialisten wenig zu tun. Er geht von einer anderen Grundannahme aus: Nach dieser ließen sich die Menschen nicht minder- und höherwertigen Rassen, wohl aber verschieden wertigen Kulturen und Religionen zuordnen. Es handelt sich sozusagen um einen Rassismus ohne Rassen denken. Das bestätigen auch verschiedene Wissenschaftler. Der Historiker Christian Geulen weist etwa darauf hin, dass der heutige Rassismus vor allem ein sogenannter Kultur Rassismus sei. Dieser propagiere keinen Rassen-, sondern einen Kulturkampf. 

Offene Gewalt gegen Angehörige eines anderen Kulturkreises oder einer anderen Religion stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Auch im Alltag gibt es Rassismus. Er ist unter anderem ein Bestandteil der deutschen Sprache. Ein Beispiel hierfür ist der Begriff Mischling. In der Alltagssprache wird er oft dazu verwendet, um ein Kind schwarzer und weißer Eltern zu beschreiben. Seinen Ursprung hat der Begriff aber in der Rassentheorie. Er basiert auf der Annahme, weiße und schwarze Menschen gehörten unterschiedlichen Rassen an. Ein Gedanke, der wissenschaftlich längst widerlegt ist.
Ein weiteres Beispiel für Alltagsrassismus liefert die Mordserie, der auch Enver Şimşek zum Opfer fiel. Die Medien bezeichneten sie damals als "Döner-Morde" oder "Mordserie Bosporus". Damit spielten sie auf den Migrationshintergrund der Ermordeten an – acht von ihnen waren türkischer und einer griechischer Herkunft. Die Medien unterstellte den Opfern zudem einen Bezug zum Drogenmilieu. Völlig zu unrecht, wie sich später herausstellte. Die Täter waren Mitglieder des selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), einer rechtsextremen Gruppierung. 2011 kürte eine Jury aus Sprachwissenschaftlern den Begriff Döner-Morde daher zum Unwort des Jahres.

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